Segeln in der Karibik
 
SWAN 43

Rasmus

 

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22.04.05

Törn 7 - Auszüge aus Samos Tagebuch

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19.02:
Du glaubst gar nicht, wie es in Caracas regnen kann. Das Wasser kommt wirklich von überall, sogar von unten. Wir haben einen relativ angenehmen Flug hinter uns, mit einer relativ unangenehmen Einreise - zwei offene Schalter für 2000 Personen am Flughafen, und niemand schlägt die Affen dahinter dott: ein sehr höflicher Zeitgenosse, der Venezolaner an sich. Bis morgen kommen wir in einem eher bruchbudenartigen Hotel unter, das muss schon halten, dann gehts weiter.

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20.02:
Es schifft wie vor 5 Jahren in Grenada, feiner Sprühregen aus einer unsichtbaren, unendlich großen Dusche. Der Einheimische gibt dem Tsunami die Schuld, vor 5 Jahren wars El Nino. Dennoch brechen wir in die Stadt zum sight-seeing auf, nachdem wir uns am Flughafen eingecheckt haben. Gerry zückt schon im Taxi die Kamera, der Scorsese aus Krumpendorf. Die Stadt ist beängstigend hässlich, die Favelas wachsen von den Rändern ins Zentrum herein, dazwischen einige Villenviertel, wo die Post abgeht: Wenn's hier g'stopft sind, dann aber ordentlich. Wir hingegen fressen wie die Fürsten unser erstes Lomito - oh Herr, lass mich den Geschmack auf der Zunge haben im Augenblick meines Abganges aus dieser Welt!

Spät in der Nacht kommen wir, der Zufall fügt es so, doch noch in Trinidad an. Und entdecken, dass man uns kräftig um die Bürde unserer Habseligkeiten erleichtert hat, der Aeropostal sei Dank.

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21.02:
30 Grad in Trinidad, und zu Hause schneit es. So soll es sein, spricht Frankenstein. Legen uns drei Seemeilen vom Hafen entfernt in eine Bucht, feines Schwimmen - und erstmals seit langem wieder frischer, herrlicher Fisch.

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22.02:
Bleiben in der Bucht, schnorcheln, halten die Rüben in den Wind. Prompt werden sie rot. Sonja leuchtet wie ein Laterndel, ich muss in der Nacht eine Augenbinde anlegen, trotzdem träum ich eine perverse Vertigo-Paraphrase:
Gefangen in einem rot blinkenden Leichtturm, der auch eine einäugige Ampel sein könnte.

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23.02:
Sonja hat die Kackerei, erstmals in ihrem Leben, und ist darauf mit Recht sehr stolz. In der Früh  koffert uns ein Segler in die Seite und behauptet frech, wir seien auf ihn gedriftet. Selten hab ich Dieter einen Menschen so verfluchen gehört, und womit, fragt der aufmerksame Leser? Mit Recht. Nach Abwehr der deutschen Bedrohung brechen wir zur Tour ins Landesinnere auf, erobern abgeschiedene Buchten, erklimmen unerstiegene Höhen und entdecken mindestens 20 neue Vogelarten. Richtig: Vogel, nicht Vögel. (Sind jetzt alle nach uns benannt). Sonja sagt, der mit der größten Pappen nach mir. Ich sag, sie soll erst einmal dicht werden, bevor sie sich wieder in Erwachsenengespräche mischt.

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24.04:
Aufbruch zu den Testigos. In Wien gehen angeblich die Schneeschaufeln aus, was vor allem Gerry sehr amüsiert: Die Boshaftigkeit in dieser Familie ist manchmal wirklich beängstigend. Dennoch nehme ich ihn als Drittelteilhaber neben Dieter in das von mir begründete Fischereiunternehmen HIK - Wohlstand und Reichtum AG auf. Schließlich trägt er ja auch ein Drittel der Investitionen, die sich vorerst im Erwerb einer Penn-Angelrolle niederschlagen. "Jetzt fangts aber auch was", stehen die Damen den Jungunternehmern hilfreich zur Seite.  Selten wurde schneller return on investment lukriert: 20 Minuten nach der Ausfahrt fangen wir den ersten Thunfisch. Er ist so groß, dass wir in kaum ins Boot bringen: Einige Augenzeugen sprechen von 12 Metern, andere von 1,2 Metern. Auf jeden Fall gibts nach dem Zermerschern des Ungetüms fünf Kilo reines Filet. Von den Steaks ganz zu schweigen.

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25.02:
Die Testigos im Sonnenschein, Sonja winselt am Häusl, was uns nicht davon abhält, die Wampen mit Sushi und Sashimi zu füllen. (Gerry stopft sich ein Sashimi-Packerl in die Ohren, damit er seine arme Schwester nicht leiden hört). Barbara packt die große Trickkiste aus, wir verleihen ihr umgehend die dritte Haube. Abends kommen Dietmar und Claudine zu Gast, wir beschämen sie mit frischen Thunfischsteaks.

26.02:
Wenn der Dichter meint, dass nichts schwieriger zu ertragen sei als eine Reihe glücklicher Tage, so sind wir sehr unlyrisch unterwegs. Wir ertagens locker: Die Hitze und die unglaublichen Farben der Düneninsel, die Regenschauer und die Regenbogen danach, die Wärme des Wassers und der Sonne auf den Schultern, als ob man ihr heißes Gewicht tragen müsste, die bunten Fische und Korallen, die prächtigen Sternenhimmel, die jeden Abend pünktlich zur gleichen Zeit eingeschaltet werden, den hellen Schein des fast vollen Mondes. "Mich trägt die Sehnsucht fort in die blaue Ferne, unter mir Meer und über mir Nacht und Sterne", singt der olle Hans. Ja eh, und wir schütten uns einen nach.

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27.02:
Sonja gehts besser und prompt fordert sie ihren Anteil am Fisch. Dass man so gefräßig sein kann! Bloß weil man drei Tage nichts gegessen hat. (Auch ein Merkmal dieser Familie: Weil, ihr Bruder, der kriegt oft einen Zuckerschock und fällt um. Dann sollte man ihm rasch irgendwas ins Maul stecken. Vorsicht, nicht Wiederbeleben: Ein Arm ist rasch abgebissen!) Zu Mittag macht Barbara für unsern Zuckerschock-Toni Pizza (mit Thun) statt seine gewohnten Germknödel, am Abend Thunfilet mit Ananas-Chutney und Reis, danach einen Papaya-Kuchen. Wir resignieren endgültig und vergeben die vierte Haube.

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28.02:
Niemand weiß, woher: Aber plötzlich pisst es wie aus Kübeln. Ein letzter Gruß vom Tief über Europa, offenbar, denn nachmittags reißt es auf und heizt runter. Jetzt ist Sommer, aber wie. Die Damen erfreuen uns mit ihrem Anblick, vor allem aber mit Tortellini mit Thunfischfülle. Die Buben winseln vor Glück.

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01.03:
Ein Wunderwetter, diese Farben! Wir fahren zu den Fischern und ersaufen uns mutig vier Langusten. Die Eiweißorgie findet am Abend statt, wir träumen von riesigen Langusten, die uns im großen Kessel kochen.

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02.03:
Brechen bei feinem Wind nach Margarita auf, am Abend, kurz vor dem Ziel, reißt uns eine Dorade aus. Das noch junge Unternehmen HIK tritt zu seiner ersten Krisensitzung zusammen und beschließt, auf diesen Schicksalsschlag mit Expansion zu antworten: Als nächste Anschaffung steht eine Angelrute ins prosperierende Haus.

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03.03:
Vormittags in die Stadt, Shopping, Tickets holen: In Wien hört der Winter nicht auf, uns graut prophylaktisch. Nachmitttags unter Palmen bei den Fischern: Eine Idylle, die gehalten hat.

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04.03:
Die Damen haben sich die Zehen anmalen lassen, um uns zu entzücken: Das gelingt!! Segeln am Abend nach Coche, wo wir Gottlob nicht wie angekündigt Besuch bekommen: So können wir eine unpackbare Lasagne Barbaras, die für sieben gedacht war, zu 5. wegstecken. (Gerry markiert einen Zuckerschock, um ein 2. Extrastück zu ergattern. Auf diese billige Vorstellung fallen wir natürlich nicht rein.)

05.03:
Ein Tag bei Eva: Grado in Venezuela!! Wir füllen uns mit Calamare ab, spielen Domino, trinken Bier. Der Traum, ein Leben.

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06.03:
Prächtiges Segeln nach Süden, der Wind taucht an wie verrückt und schiebt uns in 2,5 Stunden in die Bucht von Arapos. Bob und Susan verhauen ihr Anlegemanöver, ihr Anker rauscht davon, der Heilige Dieter, Schutzpatron aller Segler in Not, hilft ihnen aus. Alle sind wieder froh.

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07.03:
Palatschinken zum Frühstück!! Baden am Palmenstrand, hinter seiner Hütte füttert der Wirt einen Haufen Leguane, die sehr alt und böse aussehen. Am Wochenende ist hier Ballermann, jetzt, unter der Woche ist es sehr nahe am Paradies. Am Abend gibts als Nachspeise Mousse auch Chocolat mit Windgebäck, weil ich Barbara gehöhnt habe, sie bekäme nicht einmal eine Esterhazyschnitte zusammen. Bin angenehm gedemütigt.

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08.03:
Am letzten Tag begegnet Sonja endlich ihrer Schildkröte, nach einer kurzen Begrüßung erneuern und befestigen die beiden ihre gute Freundschaft bis zum nächsten Mal. Delfine begleiten uns an den letzten Ankerplatz, es ist fast kitschig. In Puerto la Curz fressen wir zum Abschluss endlich das größte Steak unseres Lebens. (Nicht einmal Gerry kriegt es ganz weg. Aber nur, weil er sich vorher mit einem Topf Fischsuppe für vier Personen aufgewärmt hat.)

09.03.
Abfahrt. Wie werden wir frieren....

Samo
Wien, 15.3.05