22.04.05
Törn 7
- Auszüge aus Samos Tagebuch
19.02:
Du glaubst gar nicht, wie es in Caracas regnen kann. Das Wasser
kommt wirklich von überall, sogar von unten. Wir haben einen
relativ angenehmen Flug hinter uns, mit einer relativ
unangenehmen Einreise - zwei offene Schalter für 2000 Personen
am Flughafen, und niemand schlägt die Affen dahinter dott: ein
sehr höflicher Zeitgenosse, der Venezolaner an sich. Bis morgen
kommen wir in einem eher bruchbudenartigen Hotel unter, das muss
schon halten, dann gehts weiter.
20.02:
Es schifft wie vor 5 Jahren in Grenada, feiner Sprühregen aus
einer unsichtbaren, unendlich großen Dusche. Der Einheimische
gibt dem Tsunami die Schuld, vor 5 Jahren wars El Nino. Dennoch
brechen wir in die Stadt zum sight-seeing auf, nachdem wir uns
am Flughafen eingecheckt haben. Gerry zückt schon im Taxi die
Kamera, der Scorsese aus Krumpendorf. Die Stadt ist beängstigend
hässlich, die Favelas wachsen von den Rändern ins Zentrum
herein, dazwischen einige Villenviertel, wo die Post abgeht:
Wenn's hier g'stopft sind, dann aber
ordentlich. Wir hingegen fressen wie die Fürsten unser erstes
Lomito - oh Herr, lass mich den Geschmack auf der Zunge haben im
Augenblick meines Abganges aus dieser Welt!
Spät in der Nacht kommen wir, der Zufall fügt es so, doch
noch in Trinidad an. Und entdecken, dass man uns kräftig um die
Bürde unserer Habseligkeiten erleichtert hat, der Aeropostal sei
Dank.
21.02:
30 Grad in Trinidad, und zu Hause schneit es. So soll es sein,
spricht Frankenstein. Legen uns drei Seemeilen vom Hafen
entfernt in eine Bucht, feines Schwimmen - und erstmals seit
langem wieder frischer, herrlicher Fisch.
22.02:
Bleiben in der Bucht, schnorcheln, halten die Rüben in den Wind.
Prompt werden sie rot. Sonja leuchtet wie ein Laterndel, ich
muss in der Nacht eine Augenbinde anlegen, trotzdem träum ich
eine perverse Vertigo-Paraphrase:
Gefangen in einem rot blinkenden Leichtturm, der auch eine
einäugige Ampel sein könnte.
23.02:
Sonja hat die Kackerei, erstmals in ihrem Leben, und ist darauf
mit Recht sehr stolz. In der Früh koffert uns ein Segler in die
Seite und behauptet frech, wir seien auf ihn gedriftet. Selten
hab ich Dieter einen Menschen so verfluchen gehört, und womit,
fragt der aufmerksame Leser? Mit Recht. Nach
Abwehr der deutschen Bedrohung brechen wir zur Tour ins
Landesinnere auf, erobern abgeschiedene Buchten, erklimmen
unerstiegene Höhen und entdecken mindestens 20 neue Vogelarten.
Richtig: Vogel, nicht Vögel. (Sind jetzt alle nach uns
benannt). Sonja sagt, der mit der größten Pappen nach mir. Ich
sag, sie soll erst einmal dicht werden, bevor sie sich wieder in
Erwachsenengespräche mischt.
24.04:
Aufbruch zu den Testigos. In Wien gehen angeblich die
Schneeschaufeln aus, was vor allem Gerry sehr amüsiert: Die
Boshaftigkeit in dieser Familie ist manchmal wirklich
beängstigend. Dennoch nehme ich ihn als Drittelteilhaber
neben Dieter in das von mir begründete Fischereiunternehmen HIK
- Wohlstand und Reichtum AG auf. Schließlich trägt er ja auch
ein Drittel der Investitionen, die sich vorerst im Erwerb einer
Penn-Angelrolle niederschlagen. "Jetzt fangts aber auch was",
stehen die Damen den Jungunternehmern hilfreich zur Seite.
Selten wurde schneller return on investment lukriert: 20 Minuten
nach der Ausfahrt fangen wir den ersten Thunfisch. Er ist so
groß, dass wir in kaum ins Boot bringen: Einige Augenzeugen
sprechen von 12 Metern, andere von 1,2 Metern.
Auf jeden Fall gibts nach dem Zermerschern des Ungetüms fünf
Kilo reines Filet. Von den Steaks ganz zu schweigen.
25.02:
Die Testigos im Sonnenschein, Sonja winselt am Häusl, was uns
nicht davon abhält, die Wampen mit Sushi und Sashimi zu füllen.
(Gerry stopft sich ein Sashimi-Packerl in die Ohren, damit er
seine arme Schwester nicht leiden hört). Barbara packt die große
Trickkiste aus, wir verleihen ihr umgehend die dritte Haube.
Abends kommen Dietmar und Claudine zu Gast, wir beschämen sie
mit frischen Thunfischsteaks.
26.02:
Wenn der Dichter meint, dass nichts schwieriger zu
ertragen sei als eine Reihe glücklicher Tage, so sind wir sehr
unlyrisch unterwegs. Wir ertagens locker: Die Hitze und die
unglaublichen Farben der Düneninsel, die Regenschauer und die
Regenbogen danach, die Wärme des Wassers und der Sonne
auf den Schultern, als ob man ihr heißes Gewicht tragen müsste,
die bunten Fische und Korallen, die prächtigen Sternenhimmel,
die jeden Abend pünktlich zur gleichen Zeit eingeschaltet
werden, den hellen Schein des fast vollen Mondes. "Mich trägt
die Sehnsucht fort in die blaue Ferne, unter mir Meer und über
mir Nacht und Sterne", singt der olle Hans. Ja eh, und wir
schütten uns einen nach.
27.02:
Sonja gehts besser und prompt fordert sie ihren Anteil am Fisch.
Dass man so gefräßig sein kann! Bloß weil man drei Tage nichts
gegessen hat. (Auch ein Merkmal dieser Familie: Weil, ihr
Bruder, der kriegt oft einen Zuckerschock und fällt um. Dann
sollte man ihm rasch irgendwas ins Maul stecken. Vorsicht, nicht
Wiederbeleben: Ein Arm ist rasch abgebissen!) Zu Mittag macht
Barbara für unsern Zuckerschock-Toni Pizza (mit Thun) statt
seine gewohnten Germknödel, am Abend Thunfilet mit
Ananas-Chutney und Reis, danach einen Papaya-Kuchen. Wir
resignieren endgültig und vergeben die vierte Haube.
28.02:
Niemand weiß, woher: Aber plötzlich pisst es wie aus Kübeln. Ein
letzter Gruß vom Tief über Europa, offenbar, denn nachmittags
reißt es auf und heizt runter. Jetzt ist Sommer, aber wie. Die
Damen erfreuen uns mit ihrem Anblick, vor allem aber mit
Tortellini mit Thunfischfülle. Die Buben winseln vor Glück.
01.03:
Ein Wunderwetter, diese Farben! Wir fahren zu den Fischern und
ersaufen uns mutig vier Langusten. Die Eiweißorgie findet am
Abend statt, wir träumen von riesigen Langusten, die uns im
großen Kessel kochen.
02.03:
Brechen bei feinem Wind nach Margarita auf, am Abend, kurz vor
dem Ziel, reißt uns eine Dorade aus. Das noch junge Unternehmen
HIK tritt zu seiner ersten Krisensitzung zusammen und
beschließt, auf diesen Schicksalsschlag mit Expansion zu
antworten: Als nächste Anschaffung steht eine Angelrute ins
prosperierende Haus.
03.03:
Vormittags in die Stadt, Shopping, Tickets holen: In Wien hört
der Winter nicht auf, uns graut prophylaktisch. Nachmitttags
unter Palmen bei den Fischern: Eine Idylle, die gehalten hat.
04.03:
Die Damen haben sich die Zehen anmalen lassen, um uns zu
entzücken: Das gelingt!! Segeln am Abend nach Coche, wo wir
Gottlob nicht wie angekündigt Besuch bekommen: So können wir
eine unpackbare Lasagne Barbaras, die für sieben gedacht war, zu
5. wegstecken. (Gerry markiert einen Zuckerschock, um ein 2.
Extrastück zu ergattern. Auf diese billige Vorstellung fallen
wir natürlich nicht rein.)
05.03:
Ein Tag bei Eva: Grado in Venezuela!! Wir füllen uns mit
Calamare ab, spielen Domino, trinken Bier. Der Traum, ein Leben.
06.03:
Prächtiges Segeln nach Süden, der Wind taucht an wie verrückt
und schiebt uns in 2,5 Stunden in die Bucht von Arapos. Bob und
Susan verhauen ihr Anlegemanöver, ihr Anker rauscht davon, der
Heilige Dieter, Schutzpatron aller Segler in Not, hilft ihnen
aus. Alle sind wieder froh.
07.03:
Palatschinken zum Frühstück!! Baden am Palmenstrand, hinter
seiner Hütte füttert der Wirt einen Haufen Leguane, die sehr alt
und böse aussehen. Am Wochenende ist hier Ballermann, jetzt,
unter der Woche ist es sehr nahe am Paradies. Am Abend gibts als
Nachspeise Mousse auch Chocolat mit Windgebäck, weil ich Barbara
gehöhnt habe, sie bekäme nicht einmal eine Esterhazyschnitte
zusammen. Bin angenehm gedemütigt.
08.03:
Am letzten Tag begegnet Sonja endlich ihrer Schildkröte, nach
einer kurzen Begrüßung erneuern und befestigen die beiden ihre
gute Freundschaft bis zum nächsten Mal. Delfine begleiten uns an
den letzten Ankerplatz, es ist fast kitschig. In Puerto la Curz
fressen wir zum Abschluss endlich das größte Steak unseres
Lebens. (Nicht einmal Gerry kriegt es ganz weg. Aber nur, weil
er sich vorher mit einem Topf Fischsuppe für vier Personen
aufgewärmt hat.)
09.03.
Abfahrt. Wie werden wir frieren....
Samo
Wien, 15.3.05 |