17.04.11
Törn 5
- Loblied auf die Grenadinen
Ob es wirklich purer Zufall war weiß ich nicht, aber im
Frühsommer ruft mich Leo an um mir von ausgesprochen günstigen
Flugtickets nach Venezuela zu berichten. Anfänglich wunder ich
mich, Dieter und ich haben unsere Flüge in die Karibik ja schon
gebucht….?! Doch dann erkenne ich meinen Irrtum, da spricht
nicht der Vaterinstinkt, der seiner Tochter etwas Gutes will,
sondern Ruth und Leo, die es wieder auf die Rasmus zieht!
Da ist die Freude groß, doch mein Realitätssinn ebenso, die
kommende Saison verbringen wir nämlich zur Gänze zwischen
Grenada und St. Lucia und das ist sowohl räumlich als auch
kulturell meilenweit von Venezuela entfernt… d.h., dass Ruth und
Leo, wenn überhaupt eine mögliche, dann sicher keine günstige
Anschlussverbindung finden werden und, dass dieser Teil der
Karibik so gar nichts mit „ihren“ entlegenen Gegenden und Inseln
in Venezuela zu tun hat, in denen sie schon zwei Mal mit uns
unterwegs waren. Schade.
Groß ist die Überraschung und Freude als sich die beiden dann
doch entschließen zu kommen und dazu natürlich einen ganz
anderen Flug buchen… Sehr kurz entschlossen schließt sich uns,
auf Empfehlung von gemeinsamen Freunden
(den beiden herzlichen Dank!), Astrid an. Ursprünglich
für eine Woche, aus der recht bald 10 Tage werden und am Ende
ist sie 2 Wochen mit uns – eine Zeit die wir alle ganz
offensichtlich genießen!
Viel von Euch kennen mich ja und wissen wie viel ich oft
unterbringen, herzeigen, machen,… möchte in einer viel zu
schnell vergehenden Zeit. Das war auch dieses Mal nicht anders
und so waren Astrid, Ruth und Leo schnell mitten drinnen in
Grenada.
Zu allererst einmal haben sie die Muse und Freundlichkeit der
Menschen hier erfahren. Sei es Rosi, die wir bei einem
Spaziergang in der Clarkes Court Bay getroffen oder fast schon
ein bisschen kennen gelernt haben, die Frauen, die beim Fish
Friday in Gouyave aufkochen und gerne über diese oder jene Zutat
erzählen oder die Obst- und Gemüseverkäufer am Samstagsmarkt in
St. George’s. Wenn man weiß, dass die Karotten in den Bergen
Grenadas von einem ruhigen und besonnenen Rasta angebaut und bis
zur Ernte liebevoll betreut wurden, für den es sich von selbst
versteht ausschließlich mit Eselsdung zu düngen, dann schätzt
man jede einzelne und genießt ihren
(wirklich!) besonderen Geschmack. Die Frauen am
Fischmarkt, ja die sind sowieso immer wieder ein erfrischendes
Erlebnis! Jedes Mal staune ich über ihren Ernst und die Hingabe
mit der sie ihre Fische teilen und schneiden. Im Schatten
sitzend eine kalte Kokosnuss trinken, noch warme, mit Honig oder
Zucker und Ingwer geröstete Erdnüsse kosten und zu Mittag ein
Roti im Nutmeg. Die drei sind angekommen.
Zwischen diesen kleinen Ausflügen segeln wir kurze Strecken,
von Bucht zu Buch, genau richtig zum Eingewöhnen. Und noch einen
Fixpunkt gibt es natürlich, eine Inselrundfahrt mit Cutty, der
uns für Sonntag zum Oil Down einlädt.
Was für eine besondere Einladung! Das Oil Down ist nicht nur
Grenadas Nationalgericht, es ist Freunde in der Nachbarschaft
treffen, gemeinsam große Stücke Brotfrucht, grüne Kochbananen,
Hühnerteile, eingesalzenes Fleisch, Seasoning Pepers und
Callaloo nach einer offensichtlich strengen Reihenfolge in einen
großen Topf schlichten, Kokosnüsse und frischen Gelbwurz raspeln
und den Topfinhalt mit einer daraus gemachten, satt-gelben
Kokosmilch übergießen während gute Geister das Feuer entfachen…
Daneben wird geplaudert, Bier getrunken, vor sich hin geträumt,
die Nachbarn kommen, die Frauen sitzen unterm Baum, Buben lassen
Drachen steigen. Was für ein köstliches und unvergessliches
Erlebnis, an so einem typisch grenadinischen Sonntagnachmittag
teilzunehmen zu dürfen. Danke Cutty!
Fast eine Woche verbringen wir so in Grenada und nehmen sehr
schweren Herzens Abschied, um an einem wunderschönen Tag nach
Carriacou zu segeln. Zu kreuzen! Weil bei näherem Nachdenken
stellt sich heraus, dass es zwar schön im Sinne von sonnig war,
der Wind aber aus Ostnordost kam, also ziemlich genau von dort,
wo wir hin wollten… Aber es hat uns allen Spaß gemacht, das
Wasser war erstaunlich ruhig und so haben uns die Extraschläge
nichts ausgemacht…
Auch Carriacou besticht durch die Mentalität seiner
Einwohner, alles ist noch ein bisschen langsamer als in Grenada,
die Uhren ticken anders. Schön! Aber Carriacou, das Land der
Riffe, wie es in der Indiosprache hieß, ist auch der Beginn der
Grenadinen, mit kitschig türkisem Wasser und Stränden in den
Farbschattierungen von fast weiß bis fast schwarz, viele davon
einsam und ruhig.
Vom Fort Hill in Union Island sehen wir all diese Farben, das
Horseshoe und das World Ends Reef der Tobago Cays und alle
Inseln der Grenadinen. Nein, an diesem Tag sehen wir noch mehr –
wir sehen auch Grenada und St. Vincent. Da möchte man gar nicht
mehr weg!
Und dann mitten hinein in die unbewohnten Tobago Cays, wir
ankern im türkisen Wasser, so klar, dass man jeden Stein sehen
kann am Meeresgrund. Da muss man eintauchen, schnorcheln, die
Wasserschildkröten bestaunen, die Leguane beobachten aber auch
einfach nur sitzen und schauen. All das macht hungrig – Zeit für
unser nachträgliches Geburtstagsgeschenk: fangfrische Langusten
zum Abendessen.
Nach soviel Schönheit die andere Seite des Seglerlebens:
ungewöhnlich lange segeln wir nach Bequia, der Wind ist gegen
uns, die Strömung auch, die Wellen sind stellenweise recht
unangenehm. Astrid und ich haben Hunger, Dieter kein Erbarmen!
Irgendwann sind wir doch angekommen; doch beim wohlverdienten
Sundowner im Frangipani schwankt es für Ruth immer noch… Am
nächsten Tag sind wir durch Port Elisabeth geschlendert, haben
Brother King und seine Schildkröten besucht und natürlich ein
Eis unterm großen Mandelbaum des Gingerbread House gegessen.
Gemächlich nimmt auch hier das Leben seinen Lauf, die Menschen
haben Zeit und Lust zu plaudern, zu lachen, zu sein.
Ein, wie Astrid, Ruth und Leo einstimmig kund tun, viel zu
kurzer Segelschlag bringt uns zur Mutterinsel, nach St. Vincent.
Oh, wir wollen es nicht glauben aber es ist schon wieder eine
Woche vergangen, morgen geht Astrid von Bord, das macht uns alle
ein bisschen traurig…Und wir freuen uns schon sehr auf ein
Wiedersehen in Wien!
Da Dieter eine Genuawinsch reparieren
(lassen) muss, bietet sich für Ruth, Leo und mich die
Möglichkeit St. Vincent etwas genauer zu erkunden. Alles scheint
etwas schneller und vielleicht auch etwas rauer zu sein als in
den Grenadinen, aber bleibt man offen und lässt man die Menschen
an sich heran, dann kommt es auch hier zu wunderbaren
Begegnungen. Eine davon ist Kaz, der sich später Mr. Joseph
nennt. Bei unserem Ausflug in die Hauptstadt Kingstown bringt er
uns mit seinem Taxi zum Fort Charlotte – wieder eine wunderbare
Aussicht, dieses Mal aber ins unglaublich spitzbergige
Landesinnere. Nach einem Tag absoluten Nichtstun, Lesen, Kochen,
Schwimmen, Plaudern und einem wunderbaren Abendessen, zu dem uns
Ruth und Leo ausführen haben wir Kraft und Lust auf weitere
Abenteuer.
Kaz führt uns durch das fruchtbare Mesopotamia Valley zu den
Montreal Gardens. Lang genug, aber letztendlich viel zu wenig
Zeit, verbringen wir zwischen den unglaublichsten Blüten,
schlendern gewundene Pfade, einem Fluss entlang, beobachten
Kolibris und Insekten. Im Hintergrund die hohen Berge der Insel,
wenn der Nebel sich lichtet sieht man einen Wasserfall. Hier
wohnt die Natur.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beginnen wir die
Rückfahrt - kann es sein, dass drei Wochen zu Ende gehen?
Bequia begrüßt uns wieder, dieses Mal mit einem Conchmuschel
blasenden Fischer, dem wir mit großer Freude einen Thunfisch
abkaufen, eine letzte Runde durch den Ort und, Ruth und Leo sind
auch diesbezüglich treue Begleiter, den Ausblick auf die Bucht
genießend noch ein Eis und einen Espresso unterm Mandelbaum…
Oh, was für ein schöner Segeltag bringt uns nach Mayreau.
Astrid Du fehlst uns, schau, Leo ist am Steuer! Noch ein
Aussichtspunkt lockt, ja genau der, hinter dem besonders netten
Kircherl, da liegen einem die Tobago Cays doch wirklich zu
Füßen, oder? Schnorcheln ist hier übrigens auch sehr
empfehlenswert, genau so wie in der Chatham Bay in Union Island.
Schön, dass wir in diese, immer noch irgendwie abgeschiedene,
Bucht segeln: Sundowner in einer kleinen Hütte am Strand, mit
den Zehen im Sand – wo gibt’s denn das sonst noch?
Zum Abschluss verbringen wir noch ein paar Tage in Carriacou,
schlendern durch Hillsborough, kaufen von einer zu recht stolzen
Gärtnerin den größten Salatkopf, den wir je gesehen haben,
besorgen letzte Souvenirs und Mitbringsel, genießen den Ausblick
und Rotis in der Bar neben dem Fähranleger. Für Leo alleine
entladen sie eine der kleinen Inselfrachtfähren, es ist wir im
Bilderbuch! Langsam in unseren Augen irgendwie umständlich aber
der Reihe nach werden unter freundlichen Rufen und Gesten
Bretter und Platten mit einem kleinen Kran auf wartende
Kleinlaster verladen. Ruth und ich spüren genau, dass das wieder
eines der Dinge ist, die Leo viel lieber mit seinem Enkel Adam
erleben würde…
Nein, die Uhren hier in Carriacou ticken nicht nur ein
bisschen anders, es wirkt als wäre die Zeit stehen geblieben –
warum tut sie es nicht auch für uns? Es muss sein, ein letztes
gemeinsames Frühstück, ein letztes Eintauchen ins klare Wasser
der Tyrell Bay, eine letzte Dinghifahrt. Am Dock wartet schon
Rupert mit seinem Taxi auf uns; bis nach Hillsborough begleite
ich die beiden noch, und als dann das Abschiednehmen an der
Kreuzung doch ein bisschen sentimentaler und länger ausfällt als
geplant, da haben alle anderen Verkehrsteilnehmer geduldiges
Verständnis. Und nachdem er Ruth und Leo am kleinen Flughafen
abgeliefert hat, bringt mir Rupert auch noch meine vergessene
Einkaufstasche ins Gemüsegeschäft…
Schön war´s mit Euch dreien, auch wir sagen Danke und freuen
uns auf ein Wiedersehen in Wien und auf der Rasmus!
Barbara
Prickly Bay, am 16. April 2011
Fotos: |
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Leo |
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