April 08
Törn 5
- Wahoo-Fest auf Blanquilla
Ein kräftiger Zug Barbara's am Enterhaken und
schon fliegt etwas Großes Schwarzblaues flach ins Cockpit,
zappelt noch kurz und gibt sich dem Wissenden
(Dieter) als Wahoo zu erkennen. Die
Waage zeigt satte 18 kg. Die Sache ist klar: "den geb' ma nimma
her"(O-Ton Dieter). So fulminant
beginnt dieses Jahr unser Ostertörn mit Rasmus.
Wir segeln gerade von Mochima Richtung
Porlamar, als auf der Höhe von Cubagua eine Fähre auf
Kollisionskurs mit uns liegt. Deren Kapitän muss ein besonders
höflicher Mensch sein, denn er dreht das Schiff, um uns –
Vorrang gebend - achtern zu passieren. Das wiederum lässt bei
Dieter Sorge um unsere nachlaufende Angelleine aufkommen. Just
in dem Moment, als der Silk eingeholt werden soll, beißt dieser
maritime Eiweißspender. Eigentlich soll ich die Spule bedienen,
meine Gedanken sind aber schon längst dabei sich auszumalen, was
passieren würde, falls wirklich ein großer Fisch ins Cockpit
befördert werden sollte. Würde er mich im Todeskampf noch in die
Zehen beißen? Also bleibe ich auf der Cockpitbank sitzen und
verheddere prompt die Angelleine. Dass der Wahoo doch noch
eingeholt wird, verdanken wir (Christa,
Peter, Elisabeth und Manfred) nur der beherzten Aktion
von Barbara (ihr Mut führt auch noch zu
einem komplett zerrissenen Segelhemd) und dem unbedingten
Willen Dieters, das gute Stück auf keinen Fall mehr herzugeben.
Auch 20 Knoten Wind und rollende Wellen halten Dieter und Peter
anschließend nicht davon ab, den erbeuteten Fisch unmittelbar in
kühlschrankgerechte Portionen zu zerlegen, während ich meinen
Schreck ob des Riesenfisches noch nicht abgelegt habe und
kleinlaut mittschiffs auf Deck sitze. Christa hat einen ganz
speziellen Aussichtsplatz während dieser Aktion: Sie beschwert
mit ihrem Körper geduldig die rasch eingeholte Genua, um dem
Passat nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Und Elisabeth
versucht mich fortlaufend zu beruhigen, oder unterstützt die
beiden Fischzerteiler durch emsiges Zugeben von Plastiksackerln.
Der Kunst Barbara's ist es zu verdanken, dass
wir in den nächsten eineinhalb Wochen täglich einen - im
kulinarischen Sinne – "anderen" Fisch verspeisen. Insgesamt
können wir unglaubliche 14 verschiedene Speisen genießen,
darunter: Fischtartar, gebeizter Wahoo an Limonenscheiben,
Fischlaibchen, Wahoosteaks; ja sogar eine Pizza ist dabei. Dem
Umstand der total verhedderten Angelleine verdanken wir es
allerdings, dass uns kein weiteres Anglerglück beschert wird
(Gott sei Dank, sage ich!).
Unsere diesjährige Route wird von Dieter echt
abenteuerlich gestaltet: Von Porlamar geht es zum Erholen auf
die Los Frailes, von dort raumschots mit unterstützender
Strömung mit nicht schlechten 8,5 Knoten nach Nordwesten auf die
Insel La Blanquilla (auch für Dieter ist
es erst der zweite Besuch). Wir ankern im Süden der
Insel, da ein starker Schwell aus Norden ein Liegen im schöneren
Westen unmöglich macht. Da in der Karwoche alle Fischer bei
ihren Familien zuhause am Festland weilen, haben wir die Insel
praktisch für uns allein. Nun ja, ganz allein sind wir nicht:
wir treffen einen traurigen Esel, zwei Adler und einige Soldaten
der Küstenwache. Letztere befinden nach unserem Gastgeschenk
"Polar Ice“ alle Papiere in Ordnung, und El Comandante stellt
uns am nächsten Tag auch noch den sauber gekehrten Sandstrand
der Militärstation samt grünblau glitzernder Karibikbadebucht
zur Verfügung.
Die Buchten laden ein zum Schnorcheln,
zahlreiche bunte Fische, sogar Schildkröten und Rochen sind zu
bewundern. Pelikane und Fregattvögel kennen wir ja schon aus
anderen Küstenregionen. Es ist immer wieder zum Schmunzeln, wenn
man einem Pelikan zuschaut, wie er nach einem vergeblichen
Sturzflug ohne Fisch mit beleidigter oder auch beschämter Miene
schnellstens vom Ort des Versagens verduftet. Peter legt sich
beim Schnorcheln mehrmals mit einem dümmlich stierenden
Barracuda an, überlässt das Revier aber schließlich doch dem
Fisch mit den schiefstehenden Zähnen. Über Wasser laufen wir auf
den zahlreichen über dem Meeresspiegel liegenden abgestorbenen
Korallenstöcken herum, und mancher Kaktus verhakt sich stachelig
in unserer Haut. Unsere Ankerbucht bietet sogar einen bequemen
Schattenplatz mit Resten einer Fischerhütte. Die auf Margarita
erstandenen Hängematten sind täglich voll belegt, Dieter
versorgt uns beinahe stündlich mit kaltem "Polar Ice“ und auch
das Mittagessen wird uns vom Schiff via Dinghi angeliefert. Herz
was willst du mehr! Unsere Seelen baumeln hier dem Anschein nach
länger als der Tag Stunden hat. Christa kann es nicht lassen –
sie muss einige Muscheln sammeln; teils schwere Trümmer, die
aber unbedingt mit müssen und auf dem Schiff sorgfältig
gebürstet werden. Elisabeth hat sich einen ausgedörrten
Dornbusch angelacht. Den nimmt sie aber nicht wirklich mit ins
Flugzeug!? Oder doch? Nicht zu glauben, aber der Zoll in Caracas
schnuppert beim Heimflug nur etwas daran herum - könnte ja
Rauschgift sein – und Elisabeth bringt das dürre Zeug
tatsächlich bis nach Hause.
Leider geht jede schöne Zeit einmal zu Ende.
Vorerst aber dürfen wir noch einen kurzen Aufenthalt auf den
Arapos genießen. Dorthin gelangen wir nach einer romantischen
nächtlichen Fahrt im Mondlicht. Ehrfurcht entsteht beim Anblick
des sich über uns drehenden nächtlichen Sternenhimmels. Das
Wechseln der Mannschaften klappt anstandslos und in den
Ruhephasen schwingen unsere Körper unter Deck so richtig
wohltuend im Takt der Wellen hin und her. Schließlich treffen
wir in Puerto La Cruz auch noch Matthias, den deutschen Träumer
mit der Vorliebe für venezolanische Frauen. Er fährt mit uns
über Land und zeigt uns u.a. den Stausee, über den die Insel
Margarita mit Trinkwasser versorgt wird. Er hat seine Posada in
Santa Fe samt Frau aufgegeben und baut eine neue Anlage
(mit neuer Frau) an der Nordküste
zwischen den Halbinseln Araya und Paria.
Der Abschied von Barbara und Dieter fällt
auch dieses Mal schwer. Es bleibt das bekannte Fernweh, welches
uns auch die nächsten Jahre nicht ganz loslassen dürfte. Ein
großer Dank für die traumhaften Tage ergeht an Barbara, die
Wahoo-Flüsterin, und an Dieter, den geduldigsten Seemann der
Karibik.
Manfred
Großgmain, im April 2008
|