Segeln in der Karibik
 
SWAN 43

Rasmus

 

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April 08

Törn 5 - Wahoo-Fest auf Blanquilla

Ein kräftiger Zug Barbara's am Enterhaken und schon fliegt etwas Großes Schwarzblaues flach ins Cockpit, zappelt noch kurz und gibt sich dem Wissenden (Dieter) als Wahoo zu erkennen. Die Waage zeigt satte 18 kg. Die Sache ist klar: "den geb' ma nimma her"(O-Ton Dieter). So fulminant beginnt dieses Jahr unser Ostertörn mit Rasmus.

Wir segeln gerade von Mochima Richtung Porlamar, als auf der Höhe von Cubagua eine Fähre auf Kollisionskurs mit uns liegt. Deren Kapitän muss ein besonders höflicher Mensch sein, denn er dreht das Schiff, um uns – Vorrang gebend - achtern zu passieren. Das wiederum lässt bei Dieter Sorge um unsere nachlaufende Angelleine aufkommen. Just in dem Moment, als der Silk eingeholt werden soll, beißt dieser maritime Eiweißspender. Eigentlich soll ich die Spule bedienen, meine Gedanken sind aber schon längst dabei sich auszumalen, was passieren würde, falls wirklich ein großer Fisch ins Cockpit befördert werden sollte. Würde er mich im Todeskampf noch in die Zehen beißen? Also bleibe ich auf der Cockpitbank sitzen und verheddere prompt die Angelleine. Dass der Wahoo doch noch eingeholt wird, verdanken wir (Christa, Peter, Elisabeth und Manfred) nur der beherzten Aktion von Barbara (ihr Mut führt auch noch zu einem komplett zerrissenen Segelhemd) und dem unbedingten Willen Dieters, das gute Stück auf keinen Fall mehr herzugeben. Auch 20 Knoten Wind und rollende Wellen halten Dieter und Peter anschließend nicht davon ab, den erbeuteten Fisch unmittelbar in kühlschrankgerechte Portionen zu zerlegen, während ich meinen Schreck ob des Riesenfisches noch nicht abgelegt habe und kleinlaut mittschiffs auf Deck sitze. Christa hat einen ganz speziellen Aussichtsplatz während dieser Aktion: Sie beschwert mit ihrem Körper geduldig die rasch eingeholte Genua, um dem Passat nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Und Elisabeth versucht mich fortlaufend zu beruhigen, oder unterstützt die beiden Fischzerteiler durch emsiges Zugeben von Plastiksackerln.

Der Kunst Barbara's ist es zu verdanken, dass wir in den nächsten eineinhalb Wochen täglich einen - im kulinarischen Sinne – "anderen" Fisch verspeisen. Insgesamt können wir unglaubliche 14 verschiedene Speisen genießen, darunter: Fischtartar, gebeizter Wahoo an Limonenscheiben, Fischlaibchen, Wahoosteaks; ja sogar eine Pizza ist dabei. Dem Umstand der total verhedderten Angelleine verdanken wir es allerdings, dass uns kein weiteres Anglerglück beschert wird (Gott sei Dank, sage ich!).

Unsere diesjährige Route wird von Dieter echt abenteuerlich gestaltet: Von Porlamar geht es zum Erholen auf die Los Frailes, von dort raumschots mit unterstützender Strömung mit nicht schlechten 8,5 Knoten nach Nordwesten auf die Insel La Blanquilla (auch für Dieter ist es erst der zweite Besuch). Wir ankern im Süden der Insel, da ein starker Schwell aus Norden ein Liegen im schöneren Westen unmöglich macht. Da in der Karwoche alle Fischer bei ihren Familien zuhause am Festland weilen, haben wir die Insel praktisch für uns allein. Nun ja, ganz allein sind wir nicht: wir treffen einen traurigen Esel, zwei Adler und einige Soldaten der Küstenwache. Letztere befinden nach unserem Gastgeschenk "Polar Ice“ alle Papiere in Ordnung, und El Comandante stellt uns am nächsten Tag auch noch den sauber gekehrten Sandstrand der Militärstation samt grünblau glitzernder Karibikbadebucht zur Verfügung.

Die Buchten laden ein zum Schnorcheln, zahlreiche bunte Fische, sogar Schildkröten und Rochen sind zu bewundern. Pelikane und Fregattvögel kennen wir ja schon aus anderen Küstenregionen. Es ist immer wieder zum Schmunzeln, wenn man einem Pelikan zuschaut, wie er nach einem vergeblichen Sturzflug ohne Fisch mit beleidigter oder auch beschämter Miene schnellstens vom Ort des Versagens verduftet. Peter legt sich beim Schnorcheln mehrmals mit einem dümmlich stierenden Barracuda an, überlässt das Revier aber schließlich doch dem Fisch mit den schiefstehenden Zähnen. Über Wasser laufen wir auf den zahlreichen über dem Meeresspiegel liegenden abgestorbenen Korallenstöcken herum, und mancher Kaktus verhakt sich stachelig in unserer Haut. Unsere Ankerbucht bietet sogar einen bequemen Schattenplatz mit Resten einer Fischerhütte. Die auf Margarita erstandenen Hängematten sind täglich voll belegt, Dieter versorgt uns beinahe stündlich mit kaltem "Polar Ice“ und auch das Mittagessen wird uns vom Schiff via Dinghi angeliefert. Herz was willst du mehr! Unsere Seelen baumeln hier dem Anschein nach länger als der Tag Stunden hat. Christa kann es nicht lassen – sie muss einige Muscheln sammeln; teils schwere Trümmer, die aber unbedingt mit müssen und auf dem Schiff sorgfältig gebürstet werden. Elisabeth hat sich einen ausgedörrten Dornbusch angelacht. Den nimmt sie aber nicht wirklich mit ins Flugzeug!? Oder doch? Nicht zu glauben, aber der Zoll in Caracas schnuppert beim Heimflug nur etwas daran herum - könnte ja Rauschgift sein – und Elisabeth bringt das dürre Zeug tatsächlich bis nach Hause.

Leider geht jede schöne Zeit einmal zu Ende. Vorerst aber dürfen wir noch einen kurzen Aufenthalt auf den Arapos genießen. Dorthin gelangen wir nach einer romantischen nächtlichen Fahrt im Mondlicht. Ehrfurcht entsteht beim Anblick des sich über uns drehenden nächtlichen Sternenhimmels. Das Wechseln der Mannschaften klappt anstandslos und in den Ruhephasen schwingen unsere Körper unter Deck so richtig wohltuend im Takt der Wellen hin und her. Schließlich treffen wir in Puerto La Cruz auch noch Matthias, den deutschen Träumer mit der Vorliebe für venezolanische Frauen. Er fährt mit uns über Land und zeigt uns u.a. den Stausee, über den die Insel Margarita mit Trinkwasser versorgt wird. Er hat seine Posada in Santa Fe samt Frau aufgegeben und baut eine neue Anlage (mit neuer Frau) an der Nordküste zwischen den Halbinseln Araya und Paria.

Der Abschied von Barbara und Dieter fällt auch dieses Mal schwer. Es bleibt das bekannte Fernweh, welches uns auch die nächsten Jahre nicht ganz loslassen dürfte. Ein großer Dank für die traumhaften Tage ergeht an Barbara, die Wahoo-Flüsterin, und an Dieter, den geduldigsten Seemann der Karibik.

Manfred
Großgmain, im April 2008

Fotos: