14.01.07
Törn 2
- Qual der Wahl und Verantwortung
Manchmal bekommt man im Leben eine zweite Chance. Und
deswegen möchte ich gleich am Anfang dieses Berichtes
(und sozusagen als Ergänzung zu Törn 1a -
oder Trinidad liegt ganz
woanders aus dem Jahre 2002) festhalten, dass wir jeden,
wirklich jeden Morgen (auch an dem Morgen,
an dem wir schon um 7:30 lossegeln mussten) nicht nur
unterhaltsame, sondern mitunter auch hochgeistige
Frühstückskonversation gepflegt haben. Und Martin! Das von
Simone unschuldig ins Frühstücksspiel gebrachte Wort
Phenylalaninquelle (das sich bedeutend
einfacher liest als ausspricht) als erster stotterfrei
wiederholen konnte. Aus dem nichts. Noch vor dem ersten Kaffee.
Sara und ich können, als sozusagen praktizierende
Morgenmenschen, diese Höhepunkte des sofort nach dem allgemeinen
Aufwachen um sich greifenden, munteren Treibens, lächelnd und
schweigend bezeugen!
Schweigen sollten wir wahrscheinlich auch über die
morgendliche Polsterschlacht von Martin und Robert – jeder Bub
(oder jede Partei?) hatte seine
Mittschiffskoje zu einer kleinen Festung ausgebaut und war wohl
zu Recht stolz über jeden linsenlos erzielten Treffer.
Der Auslöser nicht vom, sondern ein Fotoapparat…
Obwohl uns wedelnde Geschirrtücher ein bissel die Sicht
nahmen, kam ebenjener Fotoapparat eines Abends ganz schön zum
Einsatz, als sich die beiden als absolut unterhaltendes
Abwasch-Dream-team erwiesen: sie haben miteinander?! Getanzt,
das Reibeisen mit dem Kochlöffel gespielt, den unterschiedlichen
Klang von Süß- und Salzwasserhahn gekonnt eingesetzt und
gesungen.
Es versteht sich von selbst, dass sie zu alldem im Takt
gepumpt, gespült, getrocknet haben!
Aber so überaus taktvoll sein macht ja eigentlich nur Spaß in
Begleitung von charmanten Damen – vor allem dann, wenn sie das
Verständnis besitzen, im Grossen und Ganzen über die Tatsache
hinwegzusehen, nicht die erste Wahl gewesen zu sein…
Und warum Sara und Simone das nicht waren, ist im Nachhinein
betrachtet niemandem so richtig klar – die beiden gegen einen
männlichen Mitsegler eintauschen wollen kann nur, wer sie nicht
gut genug kennt…
Wer, wenn nicht Simone, kann Martin bei diversesten Spielen
das Siegen streitig machen? Wer, wenn nicht Sara, schaut darauf,
dass es allen immer gut geht? Wäre es jemand anderem als den
beiden eingefallen den Vorhang zum Vorschiff als “schalldicht”
zu bezeichnen und ihn ebenso zu verwenden? Mit wem, lieber
Martin, lieber Robert, hättet ihr zu Silvester getanzt? Und mit
wem hättet ihr euch bei diversesten Landausflügen nicht nur
unterhalten, sondern auch noch schmücken können?
Das wird zu viel. Genug! Genug!
Jetzt müssen alle, die es nicht miterleben durften, natürlich
noch wissen, dass Martin bei und für diesen Urlaub die gesamte
Verantwortung trug. Freiwillig. Und das ist natürlich eine ganz
beachtliche Aufgabe, die für so manch andere Tätigkeiten keine
Zeit mehr ließ.
Sehr gut also, dass sich Robert als unermüdlicher und
verlässlicher Ankermann erwies, der den "Mädels" auch gerne beim
Setzen und Bergen der Segel zur Hand ging. Und toll, dass Simone
und Sara viel Spaß am Steuer hatten – trotz oder gerade wegen
der natürlich nur verantwortungsvollen Überprüfung durch Martins
GPS?!
Wenig fällt mir ein, für das nicht Martin die Verantwortung
zu tragen hatte, und was passiert, wenn man glaubt sie umgehen
zu können habe ich selber erlebt: das von mir aufgehängte
Badetuch von Sara ist ebenso verschwunden wie das auch von mir
aufgehängte garderobenverlängernde, weil neu gekaufte T-Shirt
von Martin!! Oder ist es doch seine Verantwortung – weil ja er
gerade an jenem Fleck geankert hat, an dem dann eine Böe
offensichtlich…
Zurück zu anderen Dingen.
Betty und Bob aus Oklahoma z.B., die sich just an dem Abend
und in der Bar einen Song nach dem anderen wünschten, an dem und
in die sich die mutige Simone vom immer ausgehfreudigen Martin
in dunkler Nacht rudern ließ!!.
Wir, die wir am Schiff zurückgeblieben sind, haben nicht nur
die immer leiser werdenden Ruderschläge akustisch mitverfolgt,
sondern auch die Musik und Stimmung in der Bar. Über die wahre,
uns von Dieter näher gebrachte Bedeutung des Liedes
"You choose the wrong time to leave me
Lucille" mussten wir uns mit ganz Schön vielen
Lindtschokoladentaferln hinwegtrösten.
Gut, dass die vier eine 1 kg Schachtel davon mitgebracht
hatten. 1 kg gemischte Lindtschokolade, in ca. doppelter
Napserlgröße; unglaublich. Aber gar nicht so schwer zum
Wegputzen, vor allem, weil Dieter zu unser aller Wohl, die
weniger beliebten Vollmich- und Haselnusstaferln, die in dieser
wunderbaren Schachtel immer wieder als eine Art Zwischenschicht
übrig blieben, aufgegessen hat. Ich wage jetzt die Behauptung,
dass es dann mit uns und Bedacht alle anderen Sorten zuerst aß,
um anschließend wieder die Vollmich- und Haselnusstaferlschicht…?!
Naja, da Robert und er sich schon bald als sozusagen
leptosome Achse dieses Törns erkannten, kann er sich das ja
leisten – und es war wirklich zu unserem Besten!
Wir hatten ja auch noch Weiße-, Vollmilch- und
Bitterschokoladentobleronegipfel im Kühlschrank – ein fast
unerschöpfliches Lager.
So, und nach all diesen süßen Verführungen jetzt noch ein
paar trockene Daten: von Martinique bis nach Grenada waren wir
unterwegs, das sind 178 sm, davon sind wir 134 sm gesegelt und
44 sm motort, bis auf den einen oder anderen Regenguss war das
Wetter so wie man sich’s in der Karibik vorstellt, und nur
einmal haben wir wegen relativer Kälte und absoluter Nässe unter
Deck zu Abend gegessen.
Und, ganz wichtig, die beim Aufbauen des Sonnensegels
erreichten Geschwindigkeiten sind rekordverdächtig!
So, dass war’s von diesem Törn, und sollten wir nach diesem
Bericht eine weitere Chance brauchen, hoffen wir, dass die vier
sie uns geben, indem sie sehr bald einmal wiederkommen!
Barbara
Grenada, Benji Bay am 21. Februar 2007
PS: Wer von Euch kann aus dem
Törnbericht herauslesen aus welchem Land Simone, Sara, Robert
und Martin kommen?
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