Ed + Aniko:
Meine Seele ist etwas verwirrt – wir sind so etwas
ähnliches wie "angekommen", hier in Venezuela, das letzte Land
auf unserer Reise, gewissermaßen Endstation.
Hier
trennen sich wiederum die Pfade der Segler, die einen segeln
westwärts mit Passat und Strom zur engen Pforte vor der großen
Weite: Pazifik. Andere machen kehrt, segeln die Antillen
nordwärts um im Mai/Juni über die Azoren nach Europa
zurückzukehren, andere bleiben im karibischen Becken, leben
schon seit Jahren auf ihren Booten, mit eher kurzen
"Landurlauben"
Ja,
und meine Seele, mein Gemüt pendelt und taumelt etwas verwirrt,
benommen, Orientierung suchend zwischen Ankommen und Aufbrechen,
Heimkommen und Verreisen. Neugier auf dieses riesige Venezuela,
das uns auf den Los Testigos empfangen hat wie im Märchen, mit
offenherzigen Fischern, die uns mit einem Berg gegrillter
Langusten, und tags darauf mit einer eigens für uns erlegten
Wildziege, archaisch geschlachtet, abgehautet am Ast eines alten
knorrigen Baumes, am weißen Strand von Testigo pequena, bekocht
haben. Dort, wo in einer schmalen Furt von etwa 30
Metern knietiefem, blaugrünem Wasser der Atlantik und das
karibische Meer sich die Fingerkuppen reichen, wie Gott und Adam
in der Sixtinischen Kapelle.
Und diese wunderbaren, archaischen Gastmähler, beim
knisternden Feuer, unter dem Wellblech einer alten Hütte
durchweht vom milden, nächtlichen Passat – und natürlich schien
der rote Mond durchs Dach.... alter Bilbao Mond du hast mich nie
verschont, das hab ich oft betont.... und zur "Quatro", eine
kleine viersaitige Gitarre, sangen sie heimische Lieder zu denen
wir tanzend uns drehten im noch sonnengewärmten Sand....
Und Chon Chon, wettergegerbtes Gesicht, noch üppiges Grau
quillt gelockt unter seinem Hut hervor und fast bis zur Schulter
herab, ein verschmitztes Lausbubenlächeln in seinen Augen. Chon
Chon also, der Gastgeber, Koch und Inselvater (nach seinen
eigenen Angaben zeugt er zwischen 8 und 12 Kinder, alle nun
erwachsen, wir lernen 3-4 seiner Söhne kennen) verweigert
jegliche Bezahlung, keinen Bolivar für die Langusten, keinen für
die Ziege. De nada! Begründung:
"Ich arbeite", so erklärte er mir,
"vier Monate im Jahr, von Juni bis
September. Da bewirte ich die Segler, die die Hurricanseason
fliehen. Die restliche Zeit arbeite ich nicht. Ich habe Euch
bekocht, weil es mir Spaß gemacht hat, wir hatten wunderbare
Abende. Wenn ich dafür Geld nehme", so schließt er
messerscharf, "würde ich außer der Saison
arbeiten. Das kommt nicht in Frage." Wir
bedanken uns mit unseren offenen Herzen und Naturalien. Es gibt
auf den Los Testigos kaum irgendetwas zu kaufen, keinen
Supermarkt. In zwei Siedlungen und auf den Inseln verstreut
leben insgesamt 300 Menschen ein für uns nicht wirklich
vorstellbares, karges Leben in wunderbarem Ambiente.
Nach den Wochen auf den Windwards wo dir auf Schritt und Tritt
jeder irgendetwas verkaufen will, waren die Tage auf den Los
Testigos wie die Rückkehr ins verloren gegangen Paradies, wie
die magische Einkehr in ein Wunderland, geradezu unwirklich.
Tatsächlich haben wir uns mehrmals in den Arm gezwickt um unser
Wachsein zu überprüfen.
Aniko und Ed haben auf ihrem Schiff Kairos II im Dezember 2001
den Atlantik überquert. Sie verbrachten einige Wochen in den
Windward Islands und verließen Grenada im März Richtung
Venezuela um auch Zeit in dieser Gegend zu verbringen. Seit Mai
2002 sind sie wieder zurück in Wien. |